Formeller Fehler in Nebenkostenabrechnung - Schätzung von Heizkörpern

  • Liebe Mietrecht-Community,

    ich habe am 31.12.22 meine Nebenkostenabrechnung für 2021 (Apr.-Dez.) erhalten und bin mir nicht sicher, ob darin ein formeller Fehler enthalten ist.

    Mein Ziel ist es, die Nebenkostenabrechnung durch den formellen Fehler (gerichtlich) als ungültig erklären zu lassen.

    Hintergrund und Motivation dieses Vorgehens (kann übersprungen werden):

    1. Der Vermieter behauptet nach dem Auszug, dass ich den Schlüssel des Wohnungssafes verloren hätte, dabei habe ich den Schlüssel bei Einzug nie erhalten. Es gibt keine Dokumente zur Schlüsselübergabe und die Wohnungsübergabe bei Auszug ist mit "Alle Schlüssel erhalten" unterzeichnet worden. Dennoch verweigert der Vermieter die Rückzahlung der Kaution (knapp 4000 EU), da er von dem Geld einen neuen Safe hat einbauen lassen. Das wird gerade anwaltlich schon bearbeitet.

    2. Mit der Nebenkostenabrechnung wird eine Nachzahlung von knapp 1300 Euro für 9 Monate gefordert. Der Verbrauchsanteil der Abrechnung (Heizung, Wasser, ..) entspricht jedoch ziemlich genau dem Nebenkostenspiegel, während die Betriebskosten unverschämt hoch sind. Meiner Meinung nach hat der Vermieter die Rate für die monatliche Nebenkostenvorauszahlung extra geschönt, um die Mietkosten niedriger erscheinen zu lassen. Soweit recherchiert, kommen Vermieter mit diesem Trick aber durch (bzw. ich möchte erst mögliche formelle Fehler abklären).

    Insgesamt versucht der Vermieter mit allen Tricks und Mitteln möglichst viel Geld aus dem beendeten Mietverhältnis zu ziehen und ich möchte mich so gut es geht wehren.

    Die möglichen formellen Fehler:

    1.

    Von April bis Juni 2021 hat der Heizkörper im Badezimmer keinen Temperaturfühler gehabt (Vermieter verschuldet).

    Auf der Nebenkostenabrechnung wird der Verbrauch dieses Heizkörpers von April bis Juni geschätzt.

    Dazu wird ein Zeitfaktor angegeben: "129,13 / 579,13". In den Erläuterungen wird ein Zeitfaktor "550 / 1000" anhand der Gradtagtabelle erklärt. Es handelt sich dabei um die Gradtage von April bis Dezember.

    1. Frage: Der Zeitfaktor "129,13 / 579,13" wird nicht erklärt. Eine formell korrekte Nebenkostenabrechnung muss nachvollziehbar sein. Kann ein Zeitfaktor angegeben werden ohne weitere Erklärung und die Abrechnung ist trotzdem formell korrekt?

    2.

    Die Schätzung selbst wird nach dem Verfahren "LNA Schätzung Ausbaustand nach Leistung" durchgeführt. Die Erklärung beinhaltet Folgendes:

    SL 555,965

    NL 16.171,024

    NVO 16.774,000

    geschätzter Verbrauch 597,228

    SL / (NL - SL) * NVO = Ihr Anteil gesamt

    SL = Reduzierte Leistung der zu schätzenden Geräte

    NL = Gesamte Leistung der Nutzeinheit

    NVO = Verbrauch der Nutzeinheit ohne die zu schätzenden Geräte

    Hier komme ich überhaupt nicht klar. SL ist die reduzierte Leistung der zu schätzenden Geräte, aber wie die Zahl 555,965 zustande kommt ist vollkommen unklar.

    NL ist die gesamte Leistung der Nutzeinheit, aber was ist mit Nutzeinheit gemeint? Falls es sich um meine Wohnung handelt, müsste ich die Leistung aller Heizkörper addieren. Das wären dann 19063W - also entweder ein inhaltlicher Fehler, oder aber eine falsche Interpretation meinerseits.

    NVO ist ebenfalls unklar, da der Gesamtverbrauch meiner Wohnung 14090 Einheiten beträgt.

    2. Frage: Die Herkunft der Werte SL, NL und NVO wird meiner Meinung nach unzureichend erklärt und es lässt sich nicht nachvollziehen, ob diese korrekt sind, oder es sich evtl. um inhaltliche Fehler handelt. Handelt es sich hierbei um einen formellen Fehler?

    Die krummen Werte für SL und NL (und die Beschreibung von SL und NVO) suggerieren mir, dass es sich hier um berechnete Werte handelt. Die Berechnung wird jedoch nicht offengelegt.

    Ich habe mit meinem Anwalt schon darüber geredet. Dieser meinte jedoch nur, dass Schätzungen grundsätzlich möglich sind - was mir klar ist, und, dass die Nebenkostenabrechnung von einer Firma gemacht wurde, "Die wissen in der Regel schon, was sie da tun" - da stimme ich pauschal nicht unbedingt zu.

    Hat jemand hier genug Erfahrung mit formellen Fehlern, bzw. kann eine Einschätzung darüber geben, ob diese Schätzung vor Gericht als "nicht nachvollziehbar" eingestuft werden würde?

    Ich habe ein .pdf mit den wichtigsten Ausschnitten und kurzer Zusammenfassung angehangen.

    Vielen, vielen Dank für eure Hilfe!

  • Der hier beschriebene Sachverhalt macht die Abrechnung nicht formell unwirksam.

    Die verwendete Methode der Schätzung mag vielleicht technisch korrekt sein und zum richtigen Ergebnis führen. Aber sie entspricht nicht den Vorgaben der Gesetze. Ein Richter wurde sich im Streitfall nun mal nur nach den Vorschriften richten und sonst nichts.

    Nach §9a der Heizkostenverordnung gibt es zwei Methoden. Die eine ist, dass man auf Basis des Vorjahresverbrauchs schätzt. Diese Methode entfällt aber, da du offenbar erst eingezogen bist im April, somit kein Vorjahreswert vorhanden ist.

    Die andere Methode ist, auf Basis von vergleichbaren Räumen des gesamten Objekts zu schätzen. Mit anderen Worten, man vergleicht mit dem Verbrauch der anderen Badezimmer Heizungen des Hauses. Dies ist aber nicht erfolgt. Wohl sind mit dem Wert NVO die Verbrauchseinheiten des Objekts eingeflossen, die Leistung des Heizkörpers gehört dort aber nicht hin.

    Diese fehlerhafte Schätzung hätte zur Folge, dass man nach §12 HeizKV die Kosten um 15% kürzen darf, sofern nicht die Abrechnung aus anderen Gründen formell unwirksam sein sollte.

    Soweit recherchiert, kommen Vermieter mit diesem Trick aber durch

    Diese Meinung kann ich nicht nachvollziehen. Denn durch die jährliche Abrechnung stellt sich die wahre Höhe der Kosten heraus und dann muss das ausgeglichen werden. Der Vermieter hat dadurch keinen Vorteil, wenn er Guthaben zurück erstatten muss.

    Dieser meinte jedoch nur, dass Schätzungen grundsätzlich möglich sind - was mir klar ist, und, dass die Nebenkostenabrechnung von einer Firma gemacht wurde, "Die wissen in der Regel schon, was sie da tun"

    Da macht es sich der Anwalt meines Erachtens etwas zu leicht. Ich meine, es ist doch immerhin seine Aufgabe des Mandats, die Dinge zu prüfen. Wenn er sich nicht auskennt mit der Heizkostenverordnung, ist es vielleicht der falsche Anwalt.

  • Vielen Dank für die schnelle Antwort!

    Hat sich die Gesetzeslage vor kurzem bezüglich der Zulässigen Schätzverfahren geändert? Ich lese im Netz häufiger, dass es 3 zulässige Schätzverfahren gibt (und sogar mehr) und die 3. entspricht dem bei mir angewendeten Fall (siehe Dateianhang)

    Screenshot_20230418_083507_Chrome.jpg

    Was den möglichen formellen Fehler angeht: Angenommen das Schätzverfahren wäre zulässig. Die Zahlen, die dort verwendet werden fallen trotzdem vom Himmel.

    Laut Gesetzestext muss ein Mieter dazu in der Lage sein, alle Rechnungen nachzuvollziehen und nachzurechnen. Den Wert für SL zb. kann ich nicht nachrechnen.

    Macht das die Rechnung nicht "unnachvollziehbar"?

    Zu der Sache mit dem "Trick": Wenn ich als Vermieter weiss, dass die Nebenkosten der Wohnung sehr hoch sind, aber bei der Anzeige und beim Vermitteln niedrigere Zahlen angebe (die der Mieter niemals erreichen wird, auch wenn die Verbräuche gering sind) dann locke ich den Mieter ja wissentlich in eine Preisfalle. Vielleicht hätte der Mieter die Wohnung nicht bezogen wenn er gewusst hätte dass die monatlichen Nebenkosten statt 310 Euro monatlich in Wirklichkeit - bei normalem Verbrauch - bei 460 Euro liegen (und das, nachdem der Vermieter sogar mündlich meinte, die monatl. Nebenkosten sind hoch angesetzt damit es nicht zur Nachzahlung kommt).

    Vielen Dank!

  • Die Methoden wie in deinem Foto beschrieben sind zulässig, weil sie dem entsprechen, was der Gesetzestext aussagt. Bei dir hingegen wurde aber irgend was mit der Leistung des Heizkörpers (SL Wert) gerechnet. Und das entspricht eben nicht der gesetzlichen Bestimmung.

    Die Zahlen, die dort verwendet werden fallen trotzdem vom Himmel.

    Ja zwangsläufig. Der SL ist die Leistung, und den Wert muss man kennen, der kann nicht berechnet werden. Und da er genannt ist, kann man die Rechnung nachvollziehen. Aber darüber musst du dir keine Gedanken machen, wenn die Schätzmethode unzulässig ist.

    Vielleicht hätte der Mieter die Wohnung nicht bezogen wenn er gewusst hätte dass die monatlichen Nebenkosten statt 310 Euro monatlich in Wirklichkeit - bei normalem Verbrauch - bei 460 Euro liegen

    Ja, da hast du recht. Es kann tatsächlich vorkommen, dass man über die Kosten getäuscht wurde und die erhöhten Kosten daher nicht berechtigt sind. Aber das Problem dabei ist nachzuweisen, dass das der Vermieter wissentlich gemacht hat. Das ist nicht so einfach, zumal wenn es mündliche Aussagen sind. Der Vermieter könnte im Streitfall sagen, dass du dir die Abrechnung des vorigen Mieters hättest zeigen lassen können, wenn du Zweifel gehabt hättest, und dann kommst du nicht weiter mit der Argumentation. Besprich diesen Punkt daher am besten mit deinem Anwalt, ob man dahingegend etwas machen kann.

  • Aber das Problem dabei ist nachzuweisen, dass das der Vermieter wissentlich gemacht hat.

    Genau. Darum meine ich, dass der Vermieter mit diesem Trick wohl durchkommt. Ich habe das hier nur erwähnt um meine kleinkarierte Einstellung zu erklären - es hört sich sonst so an als würde ich mich grundlos um eine Nachzahlung drücken wollen. Es ist im übrigen eine ganze Menge im Argen. 1400 EU jährliche Stromkosten für die Treppenhausbeleuchtung zb.. oder aber, dass meine Kaution (falls noch existent) auf einem Girokonto des Vermieters liegt.. aber das soll alles nicht Gegenstand hier sein.

    Ich muss noch mal zu der Schätzung nachhaken:

    Ja zwangsläufig. Der SL ist die Leistung, und den Wert muss man kennen, der kann nicht berechnet werden. Und da er genannt ist, kann man die Rechnung nachvollziehen.

    Die tatsächliche Leistung des Heizkörpers ist 960W. Das steht in der Auflistung der Heizkörper mit drunter (Direkt bei Heizkostenverteiler) - das darf ich also wissen.

    Tatsächlich habe ich herausgefunden wo SL herkommt. Das ist nämlich die 960W multipliziert mit den 579,13 (die stehen im Nenner! Des Zeitfaktors rechts daneben, der wie erwähnt auch vom Himmel fällt - ich meine nicht erklärt wird - ich habe jedoch rausbekommen, dass die 579,13 die Anzahl der Gradtage von Januar bis zum 21. Juni sind, dem Tag, an dem der Zähler schliesslich verbaut wurde) und dann dividiert durch 1000.

    Bei SL handelt es sich also um eine Gewichtung der tatsächlichen Heizkörperleistung mit dem Quotient aus Gradtagen von Jan. bis 21. Juni. Und 1000.

    Übrigens handelt es sich beim Zähler des Zeitfaktors um die Gradtage von Einzug, 1. April bis 21. Juni.

    Ich bin von Beruf Physiker und habe täglich mit Unbekannten und komplexen Systemen zu tun, das hat mir wohl beim Lösen des Rätsels geholfen. Aber noch mal mit dem Wissen, dass doch eine Rechnung zumindest hinter SL steckt. Das ist doch nicht wirklich nachvollziehbar!? Und zu dem Punkt, dass die Schätzung insgesamt wohl nicht so gemacht werden darf: Wenn ich die Rechnung nicht verstehe, wie kann ich dann sagen, dass es unzulässig ist? Mein Verständnis sagt mir, dass es zuerst verständlich sein muss, sodass ich dann sehen kann, ob es so überhaupt zulässig ist? Warum hätte der inhaltliche Fehler in dem Sinne Vorrang?

    Vielen Dank für die Diskussion 🙂

  • Mein Verständnis sagt mir, dass es zuerst verständlich sein muss, sodass ich dann sehen kann, ob es so überhaupt zulässig ist?

    Das liegt daran, dass du es als Physiker anschaust. Man muss es aber als Jurist betrachten. Und da braucht man sich eine unzulässige Methode gar nicht weiter im Detail anzuschauen. Diese gilt dann nicht und die Sache hat sich erledigt.

    Wenn ich die Rechnung nicht verstehe, wie kann ich dann sagen, dass es unzulässig ist?

    In dem Fall kann man sich erkundigen bei jemandem, der sich auskennt. Bei einer zulässigen Methode würde da nicht so etwas wie die Leistung des Heizkörpers auftauchen, das passt nicht dazu. Da würden nur Vergleiche mit Verbrauchswerten vom früheren Abrechnungszeitraum oder von anderen Wohnungen stehen. Also wozu sich mit etwas befassen, was keine Relevanz mehr hat. Dass es dich als Physiker trotzdem interessiert, ist naheliegend.

    Warum hätte der inhaltliche Fehler in dem Sinne Vorrang?

    Weil die Heizkostenverordnung wie oben schon erwähnt vorsieht, bei einer unzulässigen Schätzung die Kosten um 15% zu kürzen, sodass man einen Ausgleich für eine eventuelle Benachteiligung hat.