Kündigungsfrist mit angeblicher "individueller Vereinbarung"

  • Wir haben einen uralten Mietvertrag von 1973.
    Es handelt sich um einen Formularmietvertrag.
    Die Kündigungsfrist wurde damals auf ein Datum festgelegt und "verlängert sich jeweils um EIN Jahr, wenn eine der Parteien nicht spätestens DREI Monate vor Ablauf der Mietzeit der Verlängerung widerspricht".
    Wir haben den Mietvertrag nunmehr gekündigt. Telefonisch wurde mir zuvor von der Hausverwaltung zugesichert, dass die Kündigungsfrist aufgrund der aktuellen Gesetzeslage die obligatorischen drei Monate beträgt.
    Heute haben wir eine Kündigungsbestätigung erhalten. Darin steht die Kündigung, "bei uns eingegangen am 30.01.12, wird zum 30.09.2012 wirksam"!
    Bei einem sofortigen Rückruf wurde mir von der zuständigen Verwalterin bestätigt, dass sie irrtümlich von einer dreimonatigen Kündigungsfrist ausgegangen sei, der hauseigene Anwalt aber festgestellt habe, dass die alte Klausel aufgrund einer "individuellen Vereinbarung" gültig sei.

    Die Hausverwaltung teilte mir außerdem mit, dass unsere Wohnung nach Auszug modernisiert werden soll. Insofern würde eine Neuvermietung mindestens zum dreifachen Mietzins bevorstehen. Es kann also eigentlich nicht im Interesse des Vermieters liegen, die Kündigungsfrist künstlich herauszuzögern, zumal mir die Verwaltungsfrau mitteilte, dass "man sich schon einigen werde, hinsichtlich des Auszugstermins".
    Schönheitsreparaturen im klassischen Sinne dürften aufgrund der Modernisierung hinfällig sein, statt dessen wird wohl eine Ausgleichszahlung verlangt werden.
    Die beschriebene Kündigungsfrist erscheint mir daher eher als vorbereitete "günstige Verhandlungsbasis" seitens des Vermieters, um im Rahmen der Ausgleichszahlungen möglichst viel von uns herausholen zu können.

    Meine Fragen:
    A) Welche Voraussetzungen gelten für eine "individuelle Vereinbarung". Ich habe mich schon etwas belesen und kann mir nicht vorstellen, dass dieser Passus auf unseren Mietvertrag zutrifft.
    Es handelt sich, wie gesagt, um einen üblichen Mietvertrags-Vordruck.
    Im vorgefertigten Kündigungs-Abschnitt, der oben aufgeführt ist, sind lediglich die in Großbuchstaben vermerkten Wörter maschinenschriftlich eingefügt.
    Ich denke nicht, dass dies als "individuelle Vereinbarung" durchgehen kann?!
    Schriftliche Zusatzvereinbarungen liegen nicht vor.
    Gibt es konkrete Formvorschriften, die eine "individuelle Vereinbarung" erfüllen muss?

    b) Wie kann man sich gegen ungerechtfertigt hohe Zahlungsforderungen (als Ausgleich für Schönheitsreparaturen) wehren? Denn diese befürchte ich nach der heutigen Kündigungsbestätigung.

    Über eine fachkundige Antwort würde ich mich sehr freuen!
    Danke!

  • Unser Kündigungsschreiben:

    Hiermit kündige ich den Mietvertrag für die Wohnung XXX vom XX.XX.1973 (mit Nachtrag vom XX.XX.2004) zum 01. Februar 2012.
    Laut Vertrag ist diese Kündigung mit einer Frist von 3 Monaten verbunden, das Mietverhältnis endet also am 30. April 2012.
    Bitte geben Sie mir zeitnah bekannt, wann eine Besichtigung mit Hinblick auf die Übergabe erfolgen kann. Ein Übergabetermin wäre dann noch im Detail zu klären.
    Für weitere Fragen stehe ich Ihnen gerne unter der o.g. Rufnummer zu Verfügung.

    Antwortschreiben der Hausverwaltung:
    Ihre Kündigung, bei uns eingegangen am 30.01.2012, wird zum 30.09.2012 wirksam. Bis zu dem genannten Termin haften Sie nach wie vor für alle Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis. (...)

  • Unser Kündigungsschreiben:
    Hiermit kündige ich den Mietvertrag für die Wohnung XXX vom XX.XX.1973 (mit Nachtrag vom XX.XX.2004) zum 01. Februar 2012.
    Laut Vertrag ist diese Kündigung mit einer Frist von 3 Monaten verbunden, das Mietverhältnis endet also am 30. April 2012.


    Ähem..., was sollte denn das? Zum Monatsersten sind regelmässig keine Kündigungen möglich. Eine Mietverhältnisbeendigung ist keine Vertragskündigung.
    Ich hätte geschrieben: Hiermit kündige ich den Mietvertrag über o.a. Wohnung fristgerecht zum 30.04.2012.

    § 573c BGB
    Fristen der ordentlichen Kündigung:
    (1) Die Kündigung ist spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats zulässig.

    Ob folgender Paragraf bzgl. Eurer seltsamen Formulierung zu Eurem Gunsten angewandt werden kann, weiss ich nicht:

    § 140 BGB
    Umdeutung:
    Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt das letztere, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde.

    Ich würde aber dem VM mitteilen, dass der § 573c BGB anzuwenden sei, woraus sich der Termin zum 30.4. ergäbe.

    Alles meine Meinung, keine Beratung!

    Einmal editiert, zuletzt von Berny (11. Februar 2012 um 00:13)

  • Zitat

    Welche Voraussetzungen gelten für eine "individuelle Vereinbarung"

    Individuell bedeutet, dass dieser Vertrag von beiden Seiten ausgehandelt und in einem Schriftstück (z.B. als Anhang) festgelegt wurde. Einfügungen in einem Formularvertrag sind keinesfalls individuelle Vereinbarungen.

    Individualvereinbarungen: Der Mieter hat Mitspracherecht! | Schreurs Immobilien Blog

    Da es in deinem Fall nur um die Auslegung der Verlängerungsklausel geht, ist es angeraten, diesen Vertrag einem versierten Anwalt zur Prüfung vorzulegen.

    Mietrecht: Mietverträge mit Verlängerungsklausel