Nebenkostenabrechnung - wie weit nachträglich?

  • Der Mieter hat 2004 einen Mietvertrag über eine Wohnung geschlossen. In dem Formular-Mietvertrag sind mehrere Nebenkosten-Positionen angekreuzt, aber kein Vorauszahlungsbetrag vereinbart. Der Vermieter hat handschriftlich hinzugefügt, dass Nebenkosten-Vorauszahlungen "nach Rechnungsvorlage" zu leisten sind.

    Jahrelang passiert nichts. Der Mieter zahlt nur die vereinbarte Miete. Strom und Heizung zahlt er selbst an die Versorgungsträger. Er leistet keine Nebenkosten-Vorauszahlung an den Vermieter, der Vermieter fordert ihn nicht zur Vorauszahlung auf und erstellt auch keine Abrechnung. Erst Anfang 2010 schickt der Vermieter eine Nebenkostenabrechnung über die Jahre 2004 bis 2009.

    Was muss der Mieter jetzt zahlen? Inwieweit sind Ansprüche des Vermieters verjährt? Ist die im Mietvertrag getroffene Vereinbarung überhaupt gültig?

  • Das kommt zwar sehr selten vor, dass ein Vermieter vergisst, Nebenkosten zu vereinbaren/abzurechnen. Da aber laut Gesetz Betriebskosten jährlich abzurechnen sind und die meisten Abrechnungszeiträume das Kalenderjahr betreffen, verjährt solch eine Abrechnung 12 Monate nach dem Ende des Abrechnungszeitraums.

    D.h. die Abrechnung für 2009 ist zu bezahlen, die früheren sind verjährt.

  • Danke für die Antwort. Der Vermieter stellt sich aber auf einen anderen Standpunkt. Er argumentiert, § 556 BGB bezieht sich nur auf die Abrechnung geleisteter Vorauszahlungen. Da hier noch gar keine Vorauszahlung geleistet wurde, könne er auch später abrechnen.

    Gibt es dazu (höchstrichterliche) Urteile, Kommmentare o. ä.? Ist die im Mietvertrag getroffene Vereinbarung überhaupt durchsetzbar (erst gar keine Vorauszahlung, spätere Anpassung möglich "nach Rechnungsvorlage")? Der Mieter wird ja völlig im Unklaren gelassen, in welcher Höhe Forderungen auf ihn zukommen könnten, und das jahrelang.

  • Hallo drei,

    "Er argumentiert, § 556 BGB bezieht sich nur auf die Abrechnung geleisteter Vorauszahlungen. Da hier noch gar keine Vorauszahlung geleistet wurde, könne er auch später abrechnen."
    Das ist dumes Zeugs. Der VM soll auch mal Ziffer 4 lesen: "Eine zum Nachteil des Mieters von Absatz 1, Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 abweichende Vereinbarung ist unwirksam."

    "Der Mieter wird ja völlig im Unklaren gelassen, in welcher Höhe Forderungen auf ihn zukommen könnten, und das jahrelang."
    Eigentlich ist der Text des § deutlich und eindeutig.

  • Nun ja, der Fall ist nicht ganz so fiktiv, er ist gegenwärtig vor Gericht anhängig. Der Richter hat durchblicken lassen, dass er geneigt ist, der Argumentation des Vermieters zu folgen.

    Deshalb wäre ich schon dankbar, wenn jemand dazu Präzedenzfälle, Kommentare o. ä. nachweisen könnte.

  • Das Ankreuzen der Postionen im Mietvertrag sagt in der Regel nur etwas darüber aus, welche Kosten lt. Betriebskostenverordnung der Vermieter abrechnen kann.

    Auch wenn keine Vorauszahlung vereinbart wurde, so muss sich der Vermieter dennoch an die Bestimmungen des BGB richten. Und eigentlich sagt der § 556 BGB alles aus. Insbesondere Ziff. 4 ist schon ziemlich eindeutig. Hier stellt sich mir die Frage, ob das Nichtvereinbaren einer Vorauszahlung nicht sogar als Inklusivmiete bzw. Teilinklusivmiete zu werten ist.

    Sind unter Umständen an anderer Stelle im Mietvertrag irgendwelche Bestimmungen zu den Nebenkosten oder aber zur Abrechnung enthalten?

    Sollte der Richter der Argumentation des Vermieters folgen wollen, so würde er damit quasi den § 556 BGB komplett aushebeln bzw. Vermieter, die ordnungsgemäß Vorauszahlungen vereinbaren, automatisch schlechter stellen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies im Sinne der Rechtsprechung sein kann...

    Einmal editiert, zuletzt von Gruwo (7. Oktober 2010 um 13:26)

  • Nun ja, der Fall ist nicht ganz so fiktiv, er ist gegenwärtig vor Gericht anhängig. Der Richter hat durchblicken lassen, dass er geneigt ist, der Argumentation des Vermieters zu folgen.

    Deshalb wäre ich schon dankbar, wenn jemand dazu Präzedenzfälle, Kommentare o. ä. nachweisen könnte.


    Hallo Drei,
    letztere wirst Du hier wohl (leider) nicht erfahren.
    Es wäre jedoch nett von Dir, wenn Du mal obige URL abspeicherst, damit Du den Thread wiederfindest und uns dann vom Ergebnis berichtetst...
    Danke im Voraus.

  • Nun habe ich das Urteil des Amtsgerichts. Im Namen des Volkes:

    Der Beklagte wird verurteilt, ... zu zahlen. Und zwar den Gesamtbetrag der Nebenkosten seit 2004, der mit der Klageschrift vom Mai 2010 geltend gemacht wurde. Zitat aus dem Urteil: "Die erforderliche Abrechnung erfolgte spätestens mit der vorliegenden Klageschrift".

    Das Gericht vertritt die Auffassung, das reicht so. Keine Vorauszahlung vereinbart, Abrechnung kann auch noch Jahre später zum Sankt-Nimmerleins-Tag erfolgen. Keine Verjährungsfrist, keine Verwirkung, keine Abrechnungsfrist.

    Es kommt noch dicker: "Sofern sie (die Mieter) eine zeitnahe Abrechnung der Nebenkosten haben möchten, steht es ihnen frei, diese gegenüber dem Vermieter anzufordern und ggf. nach erfolgloser Fristsetzung auch gerichtlich einzuklagen."

    Da der Vermieter nach Meinung des Gerichts aber garnicht an Fristen gebunden ist, müsste ich einen solchen Prozess eigentlich verlieren. Führen soll ich ihn trotzdem.

    Mein Verhältnis zum Rechtsstaat hat spürbar gelitten.

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